Tipps für Training und Wettkampf:
Damit der Berglauf zum Erlebnis und nicht zum Albtraum wird
Wie kommt es, dass schnelle Straßenläufer trotz guter Form beim Berglauf einbrechen, durchgereicht werden und weit unter ihrem Niveau unter „ferner liefen“ ankommen?
Und wieso können manche Läufer aus dem Mittelfeld der Straßenlaufszene bei steilen Bergläufen Läufer hinter sich lassen, die im Flachen weit schneller sind?
Berglauf-Experte Henning Schneehage erklärt das Besondere am Berglauf und gibt Tipps, damit der Berglauf zum Erlebnis und nicht zum Albtraum wird.
Was macht eigentlich einen guten Bergläufer aus? Eins ist klar: Das Laufen bergauf stellt ganz andere Anforderungen, als das Laufen im Flachen. Nicht so stark ins Gewicht fällt beim Berglauf die Grundschnelligkeit. Eine gute Lungenfasskraft, ein starkes Herz, hervorragende Kondition und psychische Belastbarkeit – man muss sich quälen können – gleichen dies oft aus. Relativ kleine Läufer mit kurzer Übersetzung kommen oft gut am Berg zurecht. Ein niedriges Körpergewicht bei gut ausgebildeter Beinmuskulatur ist ebenfalls von Vorteil. Stilistisch muss man sich einen langen, federnden Schritt abschminken. Ständiger Bodenwechsel, ebenso die am Berg erforderliche Gewichtsverlagerung verlangen eine Vielseitigkeit, die man sich am besten im Gelände mit ständigem Auf und Ab aneignet.
Doch Berglauf ist nicht gleich Berglauf. Es gibt Bergläufe auf Asphalt oder guten Wegen mit relativ kontinuierlicher Belastung und überwiegend mäßiger Steigung. Einer der bekanntesten dieser Kategorie ist der Bergstraßenlauf auf das Kitzbüheler Horn. Hier kommen Straßenläufer aus dem Flachland noch relativ gut zurecht. Bei crossartigem Berggelände mit oft knallharten Steigungen und auch kurzen Gefällstücken sind dagegen die Spezialisten gefragt, konditionsstarke „Kletterer“, die im Flachland oft weit hinterher rennen. Schließlich gibt es noch den vor allem in Italien praktizierten Typ des Bergauf-Bergablaufs mit Start und Ziel im Tal, der wegen der starken Belastung der Gelenke allerdings bedenklich ist und den ich nicht jedem empfehle. In diese Rubrik gehört auch der landschaftlich großartige Swiss Alpine Marathon mit Start und Ziel in Davos.
Die 6 wichtigsten Tipps für Training und Wettkampf
Wer nur wenige Grundsätze und Tipps beachtet, kann – auch als Flachländler oder weniger begabter Bergläufer – beim Wettkampf am Berg nicht nur erstaunliche Erfolgserlebnisse erzielen, sondern sich dabei auch an großartigen Landschaften erfreuen.
- Das spezielle und einzig richtige Berglauftraining gibt es nicht. Mach ein intensives langstreckenbetontes Lauftraining, am besten natürlich in hügeligem oder bergigem Gelände, und du hast gleichzeitig auch ein gutes Berglauftraining. Eine gute lokale Muskelausdauer in Waden und Oberschenkeln, die man für den Lauf am Berg braucht, holt man sich, indem man öfter mit hoher Schrittfrequenz und kurzen Tritten bei vorgelagertem Oberkörper läuft – am besten natürlich am Berg, notfalls im Flachland auch in Park- und Hochhäusern. Auch ein Zusatztraining auf dem Heimtrainer mit kurzen Intervallen bei hoher Wattzahl, hoher Trittfrequenz und „gezogenem“ Tritt, also Belastung der Waden, kann hier helfen.
- Trainiere deine anaerobe Ausdauer mindestens einmal die Woche am Berg. Such dir möglichst eine mindestens 500 Meter lange Steilstrecke – sei es Straße, Waldweg oder notfalls eine lange Treppe – und lauf sie im Intervall „volle Kanne“. Bei 2 bis 3 Minuten Dauer am besten fünfmal nacheinander, wobei der erste Lauf – zum Angewöhnen – der langsamste ist und meistens im dritten Lauf die Bestzeit erreicht wird. Zum Schluss jeden Laufs sollte die maximale Herzfrequenz erreicht werden. Selbstverständlich ist vor solch einem Intervall-Bergtraining gründliches Warmlaufen (ca. 3 km) und anschließendes Auslaufen (nochmal mindestens 3 km) angesagt.
- Im Wettkampf am Berg rächt sich ein zu hohes Anfangstempo bitter. Lass dich nicht mitreißen, lauf während des gesamten Rennens stets dein eigenes Tempo und mit möglichst gleichmäßiger Anstrengung. Orientiere dich an dir selbst und nicht an anderen. Wenn du dein Rennen richtig einteilst und auf der zweiten Streckenhälfte, wenn es oft erst richtig steil wird, noch Power hast, dann gewinnst du mehr Zeit, als du am Anfang durch vorsichtiges Tempo „verbummelt“ hast.
- Das bedeutet auch: Wenn es steil wird, wechsele rechtzeitig in den flachen, langen Gehschritt. Du kommst genau so schnell voran wie im Laufschritt, sparst aber Kraft. Wenn es flacher wird, ist der Wechsel zurück in den kurzen Laufschritt zwar etwas mühsam – sofern man an der Leistungsgrenze kämpft –, aber da muss man durch.
- Um zu vermeiden, dass dir am Anfang „die Pferde durchgehen“, benutze ein Herzfrequenzmessgerät, falls du eins hast. Kontrolliere schon auf dem ersten Kilometer deinen Puls und nimm das Tempo sofort zurück, wenn er schon jetzt in die Nähe der Maximalfrequenz ansteigt, was im Eifer des Wettkampfes leicht passiert. Am Anfang kann man noch korrigieren, später, wenn der Laktatspiegel schon hoch ist, ist es zu spät. Im Ziel sollte dann die maximale Herzfrequenz erreicht werden. Zeigt dir das unbestechliche Messgerät trotz aller Quälerei im Ziel eine niedrigere Frequenz, hast du vermutlich am Anfang überzogen, und aufgrund der Übersäuerung konntest du am Ende muskulär nicht mehr das bringen, was dein Herz noch hergegeben hätte. Ich habe übrigens ein Herzfrequenzmessgerät früher nur im Wettkampf getragen, aber da war es Gold wert – auch zur Analyse des Rennens nachher mit Hilfe der gespeicherten Messwerte.
- Und der letzte Tipp: Wenn du bei einem alpinen Berglauf startest, vergiss den Gipfel nicht, sofern der Lauf unter dem Gipfel, vielleicht bei einer Seilbahnstation endet. Auf das Gipfelerlebnis und den oft unbeschreiblichen Fernblick, wie ihn Bergsteiger kennen, sollte auch der Bergläufer nicht verzichten. Wenn du alle Tipps gut befolgt hast, hast du dich zwar voll ausgepowert, aber nicht übernommen. Für lockeres Auslaufen, eventuell auch noch ein paar wenige hundert Höhenmeter bis zum Gipfelkreuz, solltest du allemal noch genügend Kraft haben.
Berglauf belastet die Muskulatur nicht so extrem wie ein knallharter Straßenlauf oder ein Bahnlauf in gnadenlosem Tempo. Man erholt sich erstaunlich schnell und ist hinterher nicht so „kaputt“. Muskelkater: meist Fehlanzeige, sofern es ein reiner Bergauflauf war. Wenn ich früher am Samstagnachmittag bei einem Berglauf gestartet war, konnte ich am Sonntagmorgen ohne Probleme meinen langen Lauf über 25 km absolvieren. Deshalb können trainierte Läufer auch durchaus an mehreren Wochenenden hintereinander jeweils einen Berglauf verkraften.
Der Effekt des Bergtrainings ist übrigens beachtlich. Bergauflauf in mittleren Höhen hat einen Hämoglobin bildenden Effekt, der sogar den eines Höhentrainings erreichen soll. Es gibt zahlreiche Marathonläufer, die auf Berglauftraining schwören und sich damit ihre Form und Stehvermögen holen. Der Berglauf ist also nicht nur eine nette Abwechslung und schöne Herausforderung für den Sommerurlaub in den Bergen, sondern erstens eine inzwischen längst international anerkannte eigene Laufsportart und zweitens eine hervorragende Vorbereitung für alle möglichen harten Wettkämpfe in der Herbstsaison – nicht nur für Bahn-, Straßen- und Marathonläufer. Das wissen auch Lothar Leder und Udo Bölts, um nur zwei Spitzensportler vom Triathlon und Radsport zu nennen. Man hat sie schon öfter bei unseren Bergläufen in der Pfalz laufen gesehen.
(14.12.2002)